Ein Schwimmer unter Wasser
Schwimmen gehört zu gelenkfreundlichen Sportarten, weil Gelenke nicht mit dem eigenen Gewicht belastet werden.

Bewegung nach einem Knie- oder Hüftgelenkersatz ist essentiell für eine schnelle Heilung und die Rückgewinnung von Beweglichkeit und Aktivität. Wir wollen vom Experten Prof. Heller wissen, warum Sport und Bewegung auch mit einem Gelenkersatz wichtig ist und welche Sportarten sinnvoll sind.

Prof. Heller - Endoprothetik
Sport mit Prothese? Ja, sagt Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE), Ärztlicher Direktor des Herzogin Elisabeth Hospitals Braunschweig,
Chefarzt der Orthopädischen Klinik

Medicom: Eingriffe für Hüft- oder Kniegelenksersatz scheinen in den letzten Jahren stark zugenommen zu haben?
Prof. Heller: In den Jahren 2012/2013 stagnierte die Zahl der Eingriffe ein wenig. Jetzt sehen wir jedoch von Jahr zu Jahr eine leichte Zunahme durch die demografische Entwicklung. Die sogenannten Baby-Boomer (geburtenstarken Jahrgänge) kommen jetzt in die Notwendigkeit ihre Gelenke versorgen zu lassen.

Medicom: Heißt das, dass es ab 50 Jahren beziehungsweise mit Mitte 50 bereits einen Bedarf gibt?
Prof. Heller:
Wir haben etwa 20 Prozent der Endoprothesen unter 60 Jahren, der Rest liegt deutlich darüber und der Peak ist bei etwa 70 bis 75 Jahren. Jedoch sehen wir mehr und mehr jüngere Patienten mit schwersten Arthrosen, die eine Behandlung benötigen.

„Wir müssen unsere Empfehlungen hinsichtlich der sportlichen Betätigung nach Implantation einer Hüftprothese anpassen und moderaten Sport nun nicht nur eindeutig erlauben, sondern empfehlen.“

Medicom: Wie erklären Sie sich das, dass es immer mehr jüngere Menschen gibt?
Prof. Heller:
Verschiedene Faktoren spielen hier eine Rolle. Einmal extreme intensive sportliche Betätigung, bei der die Gelenke Schaden nehmen können. Auch haben wir mehr und mehr adipöse (übergewichtige) Patienten und wir wissen auch, dass das Risiko bei Übergewicht eine Prothese zu bekommen deutlich erhöht ist. Ebenso deutlich erhöht ist das Risiko, Komplikationen mit einer Prothese zu haben. Adipositas ist somit ein wichtiges Thema.

Medicom: Somit ist auch die Ernährung im Allgemeinen ein großes Thema. Abgesehen von kalorienbewusster Ernährung, was wären hier Ihre Empfehlungen?
Prof. Heller: Ich bin natürlich in erster Linie Operateur und jemand, der die Gelenke ersetzt. Auf das Körpergewicht soll immer geachtet werden. Adipositas ist eine Krankheit und bei einem BMI über 30 sehen wir deutliche Risikofaktoren, erstens eine Arthrose zu bekommen, aber auch eine Überlastung der Prothese. Die Revisionsrate bei den adipösen Patienten ist um ein Mehrfaches höher sowie auch die Infektionsrate, da der gesamte Stoffwechsel bis hin zum Eiweißstoffwechsel problematisch ist.

Es ist auf jeden Fall wichtig, an Kalzium zu denken und den Vitamin D-Haushalt, welcher gerade im Winter beobachtet werden sollte. Mit der Ernährung ist es möglich, der Osteopenie und Osteoporose entgegenzuwirken, an der auch gerade viele Patientinnen leiden. Ab einem gewissen Alter und auch wenn man eine Prothese hat, ist man sicher gut beraten auch einmal Kalzium und Vitamin D sowie die Knochendichte bestimmen zu lassen.

Medicom: Ein großer weiterer Punkt zur Verbesserung der Lebens- und Knochenqualität ist die Bewegung.
Prof. Heller:
Ja, man muss sich unbedingt bewegen, denn eine gute Muskulatur kann die Prothese entlasten. Ein wesentliches Problem bei älteren Patienten ist die sogenannte Sarkopenie, das heißt der Abbau der Muskulatur. Und hier ist die Entschuldigung: „Ich habe jetzt eine Prothese, ich möchte nichts kaputt machen“, falsch. Die Prothese ist dazu da, damit man sich bewegen kann und das muss man tun, um die Muskulatur aufrecht zu erhalten. Die Muskulatur hat zwei Effekte. Erstens entlastet sie das Gelenk, weil die kräftigere Muskulatur das Gelenk stärkt und zweitens schützt eine starke Muskulatur vor Stürzen.

Wir wissen, dass die Muskulatur zwischen 30 und 60 Jahren konstant gehalten werden kann. Ab 70 baut sie massiv ab und da muss man konsequent dagegenhalten. Wir motivieren die Patienten mit der Ausrede, ich habe ja eine Prothese, nicht zum Coach-Potatoe zu werden.

Es muss ja nicht gleich Rennradfahren oder extremes Laufen sein. Sondern einfach nur eine Stunde am Tag ordentlich bewegen. Das kann Walken, Wandern und das kann auch Tanzen sein. Tanzen ist etwas ganz Tolles, nämlich erstens für die Muskulatur und zweitens auch für die Koordination. Ein weiteres Problem, das alte Herrschaften haben und auch das muss man beüben.

Medicom: Gibt es Sportarten, die Sie besonders empfehlen beziehungsweise von welchen Sie abraten?
Prof. Heller:
Ja, wir empfehlen gerne Schwimmen, Wandern, Walken, Skilanglauf (im Diagonalschritt), Radfahren, Gymnastik, Rudern, Paddeln und auch Tanzen, das ich auch gerne als Sport bezeichnen möchte, weil wir wirklich wissen, dass da die Koordination geschult wird. Bedingt geeignet sind Joggen, Golf, Tischtennis und vor allem Kegeln, wegen der extremen Bewegungsausführung, aber wenn man aufpasst kann man es machen. Nicht geeignet sind abrupte Rotationsbewegungen, Stop-and-Go, deutliche Abduktion, Scheren und Kreuzen der Beine, also beim Yoga, ist Vorsicht geboten. Von Ballspielen wie Fußball oder Tennis, Basketball und Volleyball sollte man besser die Finger lassen.

„Viele Faktoren tragen dazu bei, dass ein Implantat lange seinen Dienst erfüllt: „Von Patientenseite her sind dies etwa eine Gewichtskontrolle, das Vermeiden beziehungsweise rasche Beseitigen von Infektherden im Körper, eine angemessene tägliche Bewegung zum Erhalt der gelenkstabilisierenden Muskulatur – jedoch keine Extrembelastung -, und eine regelmäßige ärztliche Überwachung der Gesundheit“.

Medicom: Hat sich das Verhalten der Implantat-Patienten in den letzten Jahren verändert und wenn ja, wie?
Prof. Heller:
Das Verhalten per se hat sich nicht verändert, wir sehen jedoch eine Veränderung der älteren Generation. Meine Großmutter war mit 70 eine sehr nette alte Dame, meine Mutter hingegen war mit 70 topfit und ist auch heute mit 80 noch topfit. Natürlich wird sie älter, aber sie hat auch einen hohen Anspruch an sich selbst. Sie bewegt sich viel und das entspricht der Entwicklung, die wir sehen.

Und der mit mehr Freizeit versehene Rentner ist mindestens so aktiv wie der berufstätige Fünfzigjährige, der gar keine Möglichkeit hat sich adäquat fortzubewegen. Hier sehen wir einen deutlichen Wechsel. In dem Fall geht es sogar in Richtung Wellness-Operation. Man möchte sich wieder besser bewegen können oder etwas tun. Oder auch die Bitte, „machen Sie mich wieder fit, ich möchte mit den Enkelkindern spielen“. Auch das ist eine Art Sport. Hinter den Enkelkindern herlaufen können, sie beim Fahrradfahren begleiten etc.

Medicom: Gibt es Risiken in Bezug auf Bewegung und Sport?
Prof. Heller
Ja, natürlich. Stürze sind problematisch, weil zwar nicht die Prothese aber der Knochen rund um die Prothese bricht. Das bereits erwähnte Stop-and-Go ist ein Problem, wenn zu viele Belastungen auf die Prothese kommen, wenn der Abrieb zu hoch ist und bei dem Stop-and-Go, bei den Scher- und Sprungbelastungen kommt es zu einem höheren Abrieb und dem sollte man entgegenwirken.

Medicom: Wie ist der Stand der Dinge bei OP-Techniken und Prothesen?
Prof. Heller: Die OP-Techniken verfeinern sich immer mehr und es wird mehr und mehr minimalinvasiv operiert. Das bedeutet kleineres Muskeltrauma, was eben den Sport ermöglicht. Dieses Hinken, das wir früher häufig gesehen haben, ist nun nicht mehr da und die Patienten haben mehr Muskelkraft und können sich damit auch entsprechend mehr ausleben. Auch Robotik kommt zunehmend zum Einsatz, die bei der Positionierung des Gelenkes für größte Genauigkeit sorgen kann. Bei den Prothesen ist es insbesondere die Qualität, die Gleitpaarung, mehr und mehr Keramik, hochvernetztes Polyäthylen mit einer Keramikkugel, damit ist der Abrieb geringer, was vorteilhafter ist, denn der Abrieb generiert eine Entzündung, welche wiederum eine Lockerung generiert.

Medicom: Was ist Ihre Botschaft an die Patienten oder Menschen, die bereits ahnen, dass sie eventuell einen Gelenksersatz benötigen?
Prof. Heller: Auf jeden Fall auf den eigenen Körper hören und das vertrauensvolle Gespräch mit einem Experten suchen und sich beraten lassen. Die Entscheidung ist eine sehr persönliche und die nehmen wir unseren Patienten auch nicht ab. Sicher ist, dass das Leben eine andere Qualität hat, wenn man sich wieder unabhängig und schmerzfrei bewegen kann.

Medicom: Vielen Dank für das Gespräch!

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