Gestresste Frau sitzt auf Sofa
Grübelviren können Stress und Unwohlsein auslösen. Die Psychologin und Buchautorin Brorson erzählt wie wir die Viren in Schach halten können.

Stopp Grübelviren. In diesen turbulenten Zeiten gehören Sorgen und Ängste für viele zum Alltag dazu. Diese „anderen“ Viren, die gegenwärtig sind, sollten wir nicht vergessen. Zum Glück gibt es gute Strategien, um mit diesen negativen Eindringlingen umzugehen. Hier können Sie die Langversion des Originalinterviews auf Englisch hören oder in Kurzversion auf Deutsch unten lesen.

Die klinische Psychologin Hanne H. Brorson bietet mit ihrem Buch „Keine Chance den Grübelviren“ eine einfache Anleitung dafür, wie man sich aus negativen Gedankenkreisen befreien kann. Im Podcast-Interview erzählt sie über ihre Beweggründe für das Buch, welche Grübelviren es gibt und wie man sie am besten mit „psychologischen Vitaminen bekämpft“.

Buchcover von Grübelviren und Portraitbild der Buchautorin Hanne H. Brorson
Die norwegische Buchautorin und Psychologin Hanna H. Brorson entwaffnet unsere Grübelviren mit guten Tipps.

MEDICOM: Sie sind klinische Psychologin und Spezialistin für Psychosen und Suchtkrankheiten. Wie kam es zu diesem Buch?

Hanne H. Brorson: Die Idee entstand kurz nach meinem Universitätsabschluss als klinische Psychologin, als ich begann, an einem kleinen Krankenhaus außerhalb Oslos zu arbeiten. Der Großteil der Patienten dort litt an Psychosen. Was mich hier am meisten überraschte, war, dass ich die Person war, die sich am schlechtesten verständlich machen konnte. Ich verwendete zu viele hochwissenschaftliche Begriffe. Ich beobachtete, dass meine Kollegen anders kommunizierten. Sie sprachen von Blutdruck, Infektionen und der großen Bedeutung einer guten Schlafqualität. Das war wesentlich greifbarer für meine Patienten.

Ich entschloss mich dann, einige dieser Begriffe zu übernehmen, um meinen Patienten auch den psychischen Zustand besser begreifbar zu machen. Ich übersetzte die psychologischen Modelle und Begriffe auf die körperliche Ebene, wie zum Beispiel das wohlbekannte Vulnerabilitäts-Stress-Modell (auch Diathese-Stress-Modell) auf das Immunsystem. Kognitive Verzerrungen und negatives Denken wurden zum Grübelvirus, das wir wiederum mit psychologischen Vitaminen bekämpfen können. Diese wiederum sind evidenzbasierte psychologische Techniken, die auf kognitiven und metakognitiven Therapieansätzen basieren.

MEDICOM: Ihr Buch ist dadurch wunderbar gut zu erfassen. Das Gleichnis vom Virus, das unsere Gedanken befällt, ist ein Bild, das jeder gut nachvollziehen kann. Was passiert aber wirklich? Wie sehen diese Viren denn tatsächlich aus?

Brorson: Mit den Viren beschreibe ich vereinfacht genau das, was in unserer Psyche im täglichen Leben passiert. Es handelt sich um übertriebene und häufig realitätsferne Gedanken, die uns befallen. Ich beschreibe in meinem Buch 13 verschiedene Grübelviren. Was sie alle gemeinsam haben, ist, dass sie uns glauben lassen, dass eine ganz normale und neutrale Situation tatsächlich negativ ist. Oder auch, dass eine tatsächlich negative Situation sogar noch negativer ist. Das führt dazu, dass wir uns mehr beunruhigen als notwendig.

Grübelviren haben gemeinsam, …. dass sie uns glauben lassen, dass eine tatsächlich negative Situation sogar noch negativer ist.

MEDICOM: Das heißt, wir manövrieren uns selbst in eine negative Gedankenspirale hinein. Der Trick ist also, sich selbst gut zu beobachten und festzustellen, dass sich diese Gedanken in uns breit machen.

Brorson: Im ersten Schritt würde ich einmal die unterschiedlichen Virustypen ansehen, damit wir sie besser erkennen können. Lassen Sie mich Ihnen ein paar Beispiele geben. Darf ich mich auf diese Interviewsituation beziehen? Sie interviewen mich jetzt also und sagen wir, dass ich während unseres Gespräches immer wieder gähnen muss. Wenn Sie unter dem sogenannten Gedankenlesevirus leiden, dann werden Sie sofort denken, dass ich Sie und Ihre Fragen langweilig und anstrengend finde. Das ist das, was das Gedankenlesevirus tut, es lässt uns glauben, dass wir wissen, was andere von uns denken. Und dass das, was sie denken, negativ ist.

Ein weiteres, etwas anderes Virus sieht so aus: Drehen wir die Uhr nach vorn und schauen wir uns die Situation später am Tag an. Dieses Interview ist nun vorbei und Sie gehen zu Ihrem Büro zurück. Auf dem Weg dorthin treffen Sie einen Kollegen und Sie lächeln ihn an und grüßen ihn. Aber er grüßt nicht zurück. Wenn Sie am sogenannten Nabel-der-Welt-Virus leiden, werden Sie denken, dass er Sie ignoriert hat oder nicht sehen wollte. Dieses Virus gibt uns die Vorstellung, dass wir im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, aber auf negative Weise.

MEDICOM: Ein weiteres recht verbreitetes Virus und ein wirklich starker Stressauslöser ist das, was Sie das Katastrophenvirus nennen.

Das Katastrophenvirus macht, das wir uns immer den schlimmsten möglich Ausgang einer Situation ausmalen.

Brorson: Ich denke, dass die meisten von uns diesem Virus mehrmals am Tag begegnen. Dieses Virus macht, dass wir uns immer den schlimmsten möglichen Ausgang einer Situation ausmalen. Wenn wir zu diesem Interview zurückkommen, dann könnten Sie sich zum Beispiel vorgestellt haben, dass alles schiefgehen wird, weil das Interview auf Englisch sein muss und noch dazu zu einem wissenschaftlichen Thema, und gedanklich bereiten Sie sich auf jede Möglichkeit vor, wie das alles schrecklich schiefgehen kann. Die Realität ist jedoch darauf beschränkt, dass nur eine Sache passiert, mit der man in der Regel auch gut umgehen kann.

MEDICOM: Aber ist es denn nicht so, dass wir uns fast alle in gewisser Weise dessen bewusst sind, dass wir ein aktives Leiden für uns selbst kreieren mit diesen Grübelgedanken? Warum fällt es dem Menschen leichter, negativ als positiv zu denken?

Brorson: Für uns Menschen als Spezies war es in unserer Evolution essenziell, ein feindliches Umfeld zu erkennen bzw. sich möglicher Schwierigkeiten bewusst zu sein. Ohne diese Haltung hätten wir nicht überlebt. In der heutigen Zeit ist es zwar nicht mehr so notwendig, dennoch haben wir die Tendenz in uns.

MEDICOM: Wie gehen wir nun am besten um mit den Grübelviren?

Brorson: Wichtig zu wissen ist, dass wir alle diese Viren in uns tragen, nicht nur jene, die eine ernsthafte psychologische Störung haben. Es geht in erster Linie darum, wie wir mit den Viren umgehen, und da kommen die Vitamine ins Spiel.

MEDICOM: Die psychologischen Vitamine helfen uns, die Viren richtig zu interpretieren?

Brorson: Ja, eine ganz weitverbreitete kognitive Strategie ist hier die, das eigene Denken infrage zu stellen. Das geht mit dem sogenannten Vitamin D, dem Diskussionsvitamin. In der Anwendung würde es in unserem zuvor genannten Beispiel, dass Sie mit dem Gedankenlesevirus mein Gähnen als Langeweile interpretieren, einschreiten, indem es diese Schlussfolgerung infrage stellt und stattdessen eine andere Möglichkeit vorschlägt, nämlich, dass ich nicht genug Schlaf hatte, weil ich zwei kleine Kinder habe.

MEDICOM: Können Sie uns zum Abschluss noch sagen, wie wir uns selbst trainieren können, die eigenen Muster zu durchbrechen und Ihr Buch zur Anwendung zu bringen?

Es ist eine Frage der Übung … mit der Zeit kann man sich selbst sozusagen umschulen.

Brorson: Es ist, wie Sie sagen, eine Frage der Übung. Es dauert manchmal einfach. Man hat eventuell Rückfälle, aus denen man jedoch lernt. Und mit der Zeit kann man sich selbst sozusagen umschulen. Ich habe das Buch bewusst so kurz und leicht lesbar gehalten, dass man jederzeit darauf zurückgreifen und die Viren und Vitamine nachschlagen kann. Mit der Zeit wird man dann immer besser mit den Grübelviren umgehen können.

Hanne H. Brorson: „Keine Chance den Grübelviren. Wie man negative Gedanken austrickst.“ Gütersloher Verlagshaus, 96 Seiten, 12 Euro.

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